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Natürlich ist mein Motorrad noch da! Ich verlasse Elazig in Süd-Östlicher Richtung. Zum ersten Mal auf allen meinen Touren melden sich heute die Nierensteine – ich trinke zu wenig. Offiziell gibt es kein Bier in der Türkei und Wasser bekommt mir irgendwie nicht. Aber das interessiert ja zu Hause niemanden! Viel interessanter ist die Tatsache, dass hier weit über 1000 m Störche nisten. Anscheinend finden sie hier am ganzen System der Talsperren hier in der Gegend genügend Nahrung. Ich sehe vereinzelt auch Aqua-Kulturen. Dabei fällt mir auf, dass ich zwar Angelgeräte in den Geschäften gesehen habe, aber nirgendwo Fisch auf der Speisekarte. Dafür gibt es überall sehr viele Kleinstgeschäfte, die Döner oder Köfte als Spezialität anbieten. 

An einer Stelle an der Straße fallen mir Frauen in Pluderhosen auf, die anscheinend gut gelaunt sind. Kurz danach ein Ehepaar, bei dem die Frau züchtig drei Schritte hinter dem Mann hergeht. Mir fällt eine Szene aus Agri ein: Ein Mann kommt mit (offensichtlich) seinen drei Frauen in den Frühstücksraum. Während er der jüngsten das Buffet erklärt suchen sich die anderen beiden schon einen Platz. Danach sitzen die Frauen an einem Tisch und frühstücken und der Mann mit einem Kumpel am anderen Tisch. Heute hingegen werde Ich an der Rezeption von einer jungen Dame verabschiedet. Auch im Stadtbild meine ich dass die jungen Leute freier sind. Ob das an der Universität liegt, die hier in jeder Bezirksstadt vorhanden ist? 

Vom Ort Malataya bekomme ich nicht viel mit. Weder die hetitische Geschichte noch die armenische Geschichte dieser Gegend. Mir fallen die Oberleitungsbusse auf, die wesentlich neuer aussehen als die klapprigen Busse in Budapest oder in vielen anderen Städten des Ostens. Die Türkei hat nicht nur in das Straßennetz investiert, sondern nahezu alle Busse jeglicher Größenordnung sind Ostasien-Importe. Dabei müssen die Beziehungen zur UdSSR früher gut gewesen sein. Ich sehe alte Isch-Motorräder, die Gendarmen haben oft AK48 aus tschechischer oder russischer Produktion und man ist stolz auf seine Mig 28 Flotte. Doch auch hier in Malataya schießen die Hochhäuser wie Pilze aus dem Boden. Auch in den Dörfern sehe ich ganze Siedlungen von Typenbauten. Es ist für mich schwer vorstellbar, dass alles bewohnt wird. Zwischendurch stehen genügend halb fertige Häuser, an denen zum Teil jahrelang nicht gebaut wurde. Doch die fertigen Häuser sehen gut aus, auch wenn innen nicht alles dem deutschen Standard entspricht. Aber das kenne ich ja auch aus anderen Ländern. 

Dann geht es wieder über die Hochebene nach Kayseri. Der Felsige Untergrund gibt an einigen Stellen fruchtbaren Boden frei. Der Erciyes Dağı soll hier als Staubvulkan ein fruchtbares Plateau geschaffen haben. Zum Teil große Felder, Aprikosenhaine und wo Ackerbau nicht möglich ist große Viehherden. Das Wasser für die Bewässerung der Felder und für die Bewässerung der Bäume (Einzelbewässerung!) wird in Kanälen von den höher gelegenen Stellen geleitet. Oft sehe ich auch Solar-Parks um den „Energiehunger“ hierfür zu stillen. Von Ferne grüßt der „Übeltäter“, leicht in Wolken gehüllt, als einer von 14 Vulkanen in der Türkei. Überhaupt bestechen die einzelnen Gesteinsschichten durch ihre Vielfalt: von Sand, Sandstein, Granit, Schiefer, Tuff, und vieles mehr. Besonders schön ist es, wenn diese Schichten durch die Auffaltung der Gebirge nahezu senkrecht stehen oder wenn Lava auf eine dicke Staubschicht geflossen ist. Ich trödele ein bisschen, denn ich habe Urlaub. Eine alte Karawanserei hat es mir angetan. Nachdem ich zuvor in einem Dorf ein baugleiches aber verschlossenes Gebäude gesehen habe, besichtige ich ein anderes. Es ist gut restauriert und dient als Aufführungsstätte einer Muslimischen Sekte, den tanzenden Derwischen. Morgen ist Ruhetag!   

 

 

 

  

  

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Egon Milbrod