Ureinwohner

Es ist schwer, den richtigen Ausdruck für diese Menschengruppe zu finden ohne irgendjemanden zu verletzen. In meiner Schule haben wir sie damals als Indianer bezeichnet, so wie es auch in der Literatur üblich war. Heute ist man unsicher, ob man first nations, Ureinwohner, Aborignes oder ein anderes Wort benutzen soll. Also nenne ich sie so, wie ich es gelernt habe, auch wenn es nicht mehr zeitgemäß und eventuell (was bestimmt nicht in meiner Absicht liegt!) diskriminierend ist.

Wikipedia sagt, dass es zirka 700 von der kanadischen Regierung anerkannte tribes bzw. nations gäbe. Dazu gehören auch die Metis, Nachfahren von Pelzhändlern und Indianerfrauen, die als Gruppe anerkannt sind. Die Zahl der Gruppen schwankt zwischen einer Handvoll und mehreren 10-tausend Personen. Die Gründe sind nach 300 Jahren erzwungener Sesshaftigkeit und erzwungener Assimilation nachvollziehbar. Anders als im benachbarten Süden hat Kanada keine Ausrottung betrieben, sondern immer mit mehr oder weniger staatlichen Mitteln eine Assimilation, entsprechend dem jeweiligen Zeitgeist, vorangetrieben.

Heute sind die Reservate total eigenständig verwaltet. Förderprogramme unterstützen die Dorfentwicklung in den Reservaten. Kultureinrichtungen wie z.B. Tanzplätze werden dabei besonders gefördert. Im Jagdrecht und beim Fischfang werden Ausnahmen für Indianer gemacht. Viehzucht, insbesondere naturnahe Büffelzucht durch Indianer, wird gefördert. Es gibt eigene Krankenhäuser und Erholungseinrichtungen, die sich in Reservaten befinden und traditionell arbeiten. Alkoholismus und Drogenkonsum sind weit verbreitet. Die Therapieeinrichtungen sind für unsere Verhältnisse zeitgemäß, entsprechen aber keineswegs den Bedürfnissen dieser Menschen. Die Schulen sind für alle Kinder gleich, aber es gibt keine Zwangseinweisungen in Internate mehr. Gesonderte Lehrpläne gibt es nur in den Grundschulen.

Bei den unterschiedlichen Entwicklungen innerhalb einer Gruppe kommt es auch zu Kriminalität untereinander. Das „herausgerissen-sein“ hat dazu geführt, dass viele junge Menschen einen entwurzelten Lebensstil entwickelt haben. Davon bekommt man als Tourist aber wenig mit.

Bei allen Anlässen werden Vertreter der Gruppen zur Teilnahme aufgefordert. Traditionelle Tänze und Darbietungen gehören zum integralen Bestandteil einer jeden regionalen oder überregionalen Veranstaltung. Sicher, es ist für uns ungewohnt und wirkt manchmal ein wenig wie eine Vorführung. Andererseits ist es eine der wenigen Möglichkeiten sich darzustellen. Aber auch künstlerische Arbeiten und Ausstellungen junger Kunstschaffender werden gerne gezeigt. In keinem Moment habe ich irgendeine Form der Abwertung bemerkt. Im Gegenteil: es macht sich die Erkenntnis unter den Siedlern breit, dass man den Indianern das Land weggenommen hat und nun ein Äquivalent mit Zinsen zurück geben muss.

Vieles muss man als Tourist selbst sehen! Die Reservate sind frei zugänglich, auch wenn manchmal Schilder um Diskretion bitten. Die Unterhaltung mit beiden Seiten (Siedlern und Ureinwohnern) kann nur einen kleinen Eindruck vermitteln. Der Unterschied zu den USA ist jedoch auch für den Laien signifikant!